Killerfrauen von Stephan Harbort, erschienen im März im Knaur Verlag, Länge 240 Seiten, Sachbuch
Wie werden Frauen zu Serienmörderinnen? Was sind ihre Motive und vor allem: was lässt eine Frau zur Täterin werden?
Diese und noch mehr Fragen versucht Stephan Harbort in seinem neuen Buch „Killerfrauen“ zu beantworten, in dem er anhand von 7 Fällen die Motive, Hintergründe, Vorgehensweisen und die Psyche der Täterinnen beleuchtet. Er lässt den Leser tief in die „Abgründe der weiblichen Seele“ blicken.
Inhalt
Fall 1 – Die Schmetterlingsfrau
Fall 2 – Gefangene Prinzessin
Fall 3 – Die Venusfalle
Fall 4 – Gemeingefährlich
Fall 5 – Interview mit einer Patientenmörderin
Fall 6 – Geboren um zu leben
Fall 7 – Jutta zwei
Aus persönlicchkeitsrechtlichen Gründen wurden die Namen der Personen und auch die Örtlichkeiten und Daten der Tatorte anonymisiert. Alle 7 Fälle basieren auf polizeilichen Ermittlungen und Bearbeitungen durch Ermittler und Täterinnen.
Im Vorwort erklärt Stephan Harbort die Definition von „Serienmörder/innen“ anhand verschiedenster Merkmale und lässt den Leser ebenso an seiner Definition teilhaben, die er anhand seiner 20 jähriger Ermittlungsarbeit erarbeitet und aktualisiert hat.
Der erste Fall „Die Schmetterlingsfrau“ beschreibt eine Mutter, die ihre Kinder als „Druckmittel“ benutzt, ihre Männer an sich zu binden. Doch wenn die Beziehungen gescheitert sind, sind die Kinder eine Last und müssen weg. In ermittlungstechnischer Kleinarbeit lockt ein verdeckter Ermittler der Täterin ein Geständnis ab, was kaltschnäuziger nicht sein kann.
Die „Gefangene Prinzessin“ wählt statt der normalen Trennung von ihren Männern die Variante „Tod“. Kaltherzig geht sie über Leichen und tötet, was ihr „im Weg ist“. Abnorme Gedanken und Vorgehensweisen der Täterin machen den Leser fassungslos und kalte Schauder über den Rücken jagen.
In „Die Venusfalle“ tötet eine Altenpflegerin nicht direkt selber, sonder manipuliert sich einen Lakaien, der für sie die Drecksarbeit erledigt. Aus reiner Geldgier sucht sie sich ihre Opfer und sobald sie ihren Willen bekommt, ist das Todesurteil unterschrieben.
Bei der Erklärung des Gutachters „zielstrebig, rücksichtslos, durchsetzungsstark, skrupellos, hoch manipulativ, egozentrisch und dissozial“ kann man sich nur ansatzweise vorstellen, was diese Frau für ein Wesen ist.
„Gemeingefährlich“ trifft als Beschreibung der Täterin im folgenden Fall ganz genau. Eine „geisteskranke, in ihrer Zurechnungsfähigkeit stark beeinträchtigte Pyromanin“ tötet wahllos völlig fremde Frauen, dass sie sogar als Hochrisikogefangene in einem Käfig aus Stahl „gehalten“ werden muss, zum eigenen und dem Schutz der anderen Personen im Gefängnis.
Besonders spannend, aber auch beklemmend fand ich „Interview mit einer Patientenmörderin“, in dem Stephan Harbort sich mit der Täterin über ihre Taten und die Beweggründe, „im Namen Gottes“ zu morden, unterhält und diese grauenhaften Worte an den Leser weitergibt. Der Leser bekommt Einsicht in ein Leben voller Selbstzweifel, Mobbing, Differenzen, aber auch aufopfernde Hilfsbereitschaft. Gespickt mit eigenen Erklärungen liefert Stephan Harbort zusätzliche Fakten, die Täterin und ihre Motive zu „erklären“ und zu „verstehen“.
Ganz besonders berührt hat mich „Geboren, um zu sterben“. Nicht allein dadurch, weil es vor ein paar Jahren in einem Ort in meiner Nähe zu einem ähnlichen Fall kam und ich die damalige Täterin durch meine Arbeit kannte. Immer noch davon geschockt, hat mich dieser Fall an meine eigenen Überlegungen damals erinnert, wie eine Frau sowas tun kann.
In dem Fall in dem Buch ermordete eine Frau 3 Säuglinge kurz nach der Geburt und sie über lange Jahre in ihrer eigenen Tiefkühltruhe versteckt.
Wie man als Frau mit dem Wissen um die Leichen im Keller sein Leben so weiterführen kann, wie immer, lässt den Leser nicht los.
Emotional wird hier die Geschichte um die Täterin, ihre Familie und ihr Leben erzählt, die aber die Beweggründe der Frau offen lassen, weil auch sie selbst nicht erklären kann, warum sie es tat.
Auch jetzt lässt mich dieser Fall nicht los. Unglaublich und zutiefst geschockt treffen meine Empfindungen hier ziemlich genau.
„Jutta zwei“ ist keine Geschichte von Zwillingen, sondern von Jutta König, einer Chefin einer Drückerkolonne. Eine Frau, die Mitarbeiter abhängig macht, brutale Gewalt anwendet und am Schluss bestialisch ermordet. Es tun sich Abgründe auf, die der Leser nur schwer verarbeiten kann und ihm das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Im Nachwort erklärt Stephan Harbort noch einmal das Buch, die Fälle, die Täterinnen und ihre Psyche. Auch die Umstände, die eine Frau zu einer Mörderin werden lassen (können) werden hier nochmals genau analysiert und anhand von Fakten und Forschungen aus der Vergangenheit dargelegt.
Zu guter Letzt findet man am Ende des Buches die „Kriminologie der Serienmörderin“ in Deutschland von 1945 bis 2015.
Mein Resümee
Wer etwas mehr über die Psyche von Serienmörderinnen erfahren will, über ihre Umstände und Beweggründe, wird bei „Killerfrauen“ fündig.
Stephan Harbort erzählt mit fachlichen Begriffen, die aber auch für den Laien gut verständlich sind, von 7 äußerst brutalen, erschreckend kaltschnäuzigen Täterinnen. So unterschiedlich die Taten sind, so unterschiedlich sind die Täterinnen in ihrem Charakter. Man wird in dem Buch mit realen Morden konfrontiert, die den Leser fassungslos machen und ihn nicht loslassen.
Leider fehlen mir bei einigen Fällen die Aufschlüsselung wie bei „Die Schmetterlingsfrau“, in dem die Beziehungen der Täterin zu ihren Eltern in der Kindheit, zu ihren Partnern und zu ihren Kindern. Es kann anhand der unterschiedlichen Fällen dazu geführt haben, dass diese Analyse nicht anwendbar war, doch hätte Stephan Harbort hier eventuell einen Hinweis geben können. Für mich persönlich fehlt da einfach etwas.
Mit seinem eigenen unvergleichlichen Stil lässt Stephan Harbort jeden Fall in dem Leser „nacharbeiten“. In den Fallbeispielen ist der Stil ähnlich eines Romans, doch wenn es an die Analyse geht, wird er sachlich, gut strukturiert, mitunter sogar kalt. Dennoch tut dieser Stilwechsel seinem Buch keinen Abbruch, im Gegenteil: man kann nur eines machen: WEITERLESEN!
Eindeutige Kaufempfehlung meinerseits! 😀