Ein belgischer Feuerwehrmann bekommt Recht. Er arbeitet seit 1981 als freiwilliger Feuerwehrmann und ist darüber hinaus Angestellter eines Privatunternehmens. Der Mann hatte pro Monat eine Woche Rufbereitschaft – und zwar abends und am Wochenende.
2009 klagte der Feuerwehrmann gegen die belgische Stadt Nivelles, weil er eine Entschädigung für seine Bereitschaftsdienste bekommen wollte, die er von zu Hause aus leistete. Seiner Meinung nach ist Bereitschaftszeit Arbeitszeit.
Quelle: Tagesschau
Wie wirkt sich das Urteil nun auf die Berufskraftfahrer aus?
Theoretisch könnte man es auch hier anwenden, doch gibt es einen Punkt, der mich zweifeln lässt: denn es müsste im Vorfeld erst geklärt werden, ob Bereitschaftsdienst gleichzusetzen ist mit Bereitschaftszeit. Hier könnte es seitens der Benennung zu Unstimmigkeiten kommen.
Mal weiter gedacht, was es für Auswirkungen auf die Branche bringen könnte.
Was ist Bereitschaftszeit?
Der Fahrer muss sich bereithalten, um seine Tätigkeit aufzunehmen, wobei ihm der Zeitraum, z.B. die Wartezeit und deren voraussichtliche Dauer im Voraus, spätestens unmittelbar vor Beginn des betreffenden Zeitraums, bekann ist.
Nur unter dieser Voraussetzung sind die drei Arten der Bereitschaftszeiten rechtskonform:
1. Die Zeit, während derer sich ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen.
2. Die Zeit, während derer sich ein Arbeitnehmer bereithalten muss, um seine Tätigkeit auf Anweisung aufnehmen zu können, ohne sich an seinem Arbeitsplatz aufhalten zu müssen.
3. Für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit.
Somit wäre, rein theoretisch, der Punkt „Bereitschaft“ hinfällig. Denn sie würde, gemäß des Urteils, gleichzusetzen sein mit Arbeitszeit.
Wobei hier daraus resultierend ein Umdenken und vor allem Umplanen im täglichen Geschäftsbetrieb einer Spedition stattfinden müsste. Dann wäre jedes Warten auf eine Rampe, auf einen Ab- oder Ladetermin, obwohl der Zeitraum bekannt wäre und somit Bereitschaft ist, IMMER Arbeitszeit, was dazu führen würde, alles wieder rein theoretisch, die Einsatzzeiten der Kraftfahrer, ich sag mal, „gefährdet“ wären.
Beispiel:
Ankunft nach 6 Stunden Arbeitszeit (Lenkzeit 4 Std. + Arbeitszeit 2 Stunden) beim Kunden. Der dortige Verlader sagt: „Du musst eine Stunde warten.“ Nach der bisherigen Regelung hieße das: der Fahrer hätte noch 4 Stunden Arbeitszeit (6 Stunden erst verbraucht) auf erlaubten 10 (hier UNBEDINGT Paragraph 21a Arbeitszeitgesetz beachten!).
Laut seinem Digi-Tacho könnte er noch beispielweise 4 Stunden fahren, um zum nächsten Kunden zu kommen oder so weit wie möglich in die Richtung.
Nach dem Urteil des EuGH allerdings, welches ja feststellt, dass Bereitschaft gleichzusetzen ist mit Arbeitszeit, würde das für den Fahrer folgendes bedeuten:
Die eine Stunde warten auf Ladung wäre dann zur Gesamttagesarbeitszeit zu rechnen. 6 Stunden hatte der Fahrer bei Ankunft schon, plus eine Stunde „Warten“ ergeben 7 Stunden. Somit hätte er an diesem Tag eine Stunde weniger Arbeitszeit und Lenkzeit in seiner Einsatzzeit zur Verfügung.
Hier hat der Fahrer nun nur noch 3 Stunden Lenkzeit zur Verfügung um zum nächsten Kunden zu kommen oder so weit wie möglich in die Richtung. Verlust zu „vor dem Urteil“: eine Stunde.
Dieses wiederholt sich Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Und genau DAS meine ich, wenn ich sage, dass sich dieses Urteil, SOLLTE es auch auf Kraftfahrer anzuwenden sein, negativ bzw problematisch auf die Transportbranche auswirkt.
Termine müssen anders gesetzt werden, Abläufe umgestrickt und so weiter.
Aber ganz besonders trifft es die Speditionen, die ihre LKW in Doppelbesatzung fahren lassen. Dort ist die Zeit auf dem Beifahrersitz nämlich Bereitschaftszeit. Nach dem Urteil allerdings wäre diese Bereitschaft ebenfalls Arbeitszeit und somit würde die Doppelbesatzung keinerlei logischen oder logistischen Nutzen mehr haben. Denn dann müssten die beiden Fahrer nach jeden 4,5 Stunden Lenkzeit eine Dreiviertelstunde Pause machen, wie ein Fahrer allein auch. Somit würden hier eine Änderung der Einsatzzeiten und die betriebliche Umstrukturierung nicht ausbleiben; sogar zwingend notwendig machen.
Wenn man es sachlich und logisch betrachtet, hätte man, sollte das Urteil auf Kraftfahrer anzusetzen sein, einige, wenn nicht sogar große logistische Probleme zu bewältigen.
Ich denke eher, dass hier mit dem Urteil nur klargestellt werden soll, dass die Bereitschaftszeit bei der Vergütung mit der Arbeitszeit gleichzusetzen ist! Mehr nicht!
Sollte dem so sein, ist es für Kraftfahrer eigentlich hinfällig, da hier schon festgestellt wurde, dass Bereitschaftszeit mindestes mit Mindestlohn vergütet werden muss. Somit wäre dann im Umkehrschluss das Urteil nutz- und sinnlos.
Jetzt bleibt es abzuwarten, was aus diesem Urteil gemacht wird. Sicherlich wird es Kommentierungen seitens diverser Verbände, Anwälten und dergleichen geben. Genauso könnte ein Fahrer klagen um Recht u bekommen, was aber nicht nötig wäre, da beim
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Az: 2 Sa 498/09 und 2 Sa 839/09
Urteil vom 04.02.2010
schon eine derartige Klage entschieden wurde, wenn auch nicht unbedingt genau passend, aber dennoch ob Bereitschaft auch gezahlt werden muss und nicht im Lohn/Gehalt inklusive sind.
Nachzulesen hier: Bereitschaftszeiten – Berufskraftfahrer
Ausserdem ist immernoch die Begrifsbestimmung offen: ist Bereitschaftsdienst das gleiche wie Bereitschaftszeit? Werden diese Bezeichnungen nach diesem Urteil gleichgesetzt oder muss hier erst ein Grundsatzurteil gesprochen werden?
Die Entwicklung bleibt, nach diesem Aufregung hervorgerufenem Urteil, abzuwarten. Spannend bleibt es sicher.
1 comment for “Verwirrung um EuGH-Urteil zu „Bereitschaftszeit = Arbeitszeit“?!”